Morgen

Es tagt, der Morgen graut, die Nacht hinterlässt ihr samtenes Kleid auf den Gipfeln der hohen spitzen Berge die als letztes die Schatten der Nacht gefangen halten.

 

Die Griechen sagen: Die rosenfingrige Eos streckt ihre Finger aus über das Land und das Meer. Sie ist verflucht worden, um Ausschau zu halten nach Jünglingen und jungen Männern, sie zu verführen. Dies treibt ihr die Schamröte ins Gesicht und so erstrahlt das Morgenrot am Horizont.

 

Nun, ich denke ein bisschen Poesie schadet uns nie. Ein bisschen Schönheit in unserem Leben, durch die Farben der Worte und Beschreibungen mancher Lebenssituation die in unser Dasein dringen.

Sie halten uns buchstäblich lebendig.

 

Ein neuer Morgen, ein neues Ziel!

 

Ein neues Kapitel in unserem Leben, ein Morgen der noch alle Chancen bietet für Veränderungen und Entscheidungen. 

 

Was hat denn der Morgen an sich, dass man ihm eben diese Kraft zuspricht?

 

Am Abend sagt man: Ach, morgen ist auch noch ein Tag. 

In der Nacht sagt man: Ach, wollte es doch rasch morgen werden, denn am Morgen sieht alles anders aus.

Und ist der Morgen da, dann sagt man: Endlich ist es morgen, jetzt können wir neu anfangen.

 

Der Morgen scheint eine ganz besondere Kraft inne zu haben.

Ein Beginn, ein Anfang, ein Startschuss, ein Aufruf, ein Weckruf, eine Kraftquelle.

 

Alles ist noch so neu, so frisch und so unverbraucht.

 

Der neue Morgen vermittelt einem das Gefühl, dass man es schaffen kann, dass man das schaffen könnte, was man sich schon lange vorgenommen hat.

 

Es gibt einen Film der heißt: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung.

(Spielfilm von Kurt Hoffmann von 1968. Als Vorlage diente der erstmals im Februar 1967 in Deutschland veröffentlichte gleichnamige Roman des britischen Autors Eric Malpass)

 

Ist das so? Ist die Welt „morgens früh“ noch in Ordnung?

Ist sie geordneter als mittags oder abends?

Ist es diese Ordnung, die das „morgendliche Morgen“ ausmacht?

 

Ist es die Stille am Morgen? Das leise Atmen des beginnenden Tages? Das im Tagesverlauf so oft zu einem wilden Hecheln wird, uns Stress vermittelt und uns die Müdigkeit der Unausgeschlafenheit einholt?

 

Ist es die Luft am Morgen? Die noch so frisch ist, so unverbraucht, so nebelgeschwängert und taubenetzt? Doch mit zunehmendem Sonnenhochstand wird die Luft dicker und der Kampf schwerer.

 

Der Tag hatte Zeit sich in der Nacht zu erholen, um am Morgen neu und frisch ans Werk zu gehen und zu wachsen, im ewigen Kreislauf des Augenblicks.

 

Der Morgen nimmt uns bei der Hand und zieht uns mit sich, dann beginnen wir zu laufen und holen ihn ein, bis wir auf gleicher Höhe mit ihm wandeln, um ihn etwas später hinter uns zu lassen und auf ihn zurückzublicken, um ihm ein flüchtiges "Leb wohl" zuzuwinken, in der Gewissheit auf ein baldiges Wiedersehen.

 

Unterschätzen wir also nicht die Kraft des Morgens.

In ihm liegen die Möglichkeiten des Tages. 

 

Wie beginnen wir denn nun?

Hektisch, planlos, kopflos? Im Bewusstsein der Verzweiflung, dass uns die Zeit wegläuft?

 

Oder diszipliniert?

 

Eine Diszipliniertheit die mich früh aufstehen lässt, um den Morgen zu genießen, damit ich ihm die Anerkennung zollen kann die er verdient hat.

Ihm den Platz gebe, der ihm zusteht und mich an dem Ort entfalte, an dem der Morgen noch morgendlich ist.

 

Im Licht des neuen Morgens will ich meinen Platz einnehmen und den Morgen so beginnen, dass ich mit ihm heranreife und des Tages Angriffe überstehen kann.

Bis die Übernahme erfolgt und der Abend, indem er das Licht aufsaugt, die bevorstehende Nacht ankündigt.

 

Ein alter Spruch sagt:

Mit Gott fang an, mit Gott hör auf, das ist der beste Lebenslauf.

 

Bibeltexte zum Morgen:

 

Singt dem Herrn eure Lieder, alle, die ihr seine Gnade erfahren habt! Dankt ihm und bezeugt: Er ist der heilige Gott!  

Nur einen Augenblick streift uns sein Zorn, aber ein Leben lang währt seine Güte. Wenn wir am Abend noch weinen und traurig sind, so können wir am Morgen doch vor Freude wieder jubeln.   

Psalm 30, 5-6 (HFA)

 

Ich aber singe von deiner Macht. Früh am Morgen juble ich dir zu, weil du so gnädig bist. Du bietest mir Schutz wie eine sichere Burg; zu dir kann ich fliehen, wenn ich weder aus noch ein weiß.   

Psalm 59,17 (HFA)

 

Wie gut ist es, dir, Herr, zu danken und dich, du höchster Gott, zu besingen,  schon früh am Morgen deine Gnade zu loben und noch in der Nacht deine Treue zu preisen,  zum Klang der Laute, zur Musik der Harfe und Leier!    

Psalm 92, 2-4 (HFA)

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