Kälteschock

Mitten im Sommer fielen dicke weiße Hagelkörner auf meine grüne Wiese sie sah aus als stände sie unter Schock. Doch nicht nur meiner Wiese ging es so. Ich war auch geschockt. Was so ein Sommergewitter alles anrichten kann ist schon heftig. Dabei waren andere Regionen bestimmt noch weitaus schlimmer betroffen.
Ich schaltete die Nachrichten an, obwohl es immer noch gewitterte und sah Berichte von Stürmen und Schneeballgroßen Hagelkörnern. Ist das der Weltuntergang?
Dann schaltete ich den Fernseher rasch wieder aus und kappte auch sonst alle Stromverbindungen. Man weiß nie ob der Blitz nicht gerade doch in meiner Wohnung einschlägt.
Da knallte es heftig gegen mein Fenster, das heißt gegen den Rollladen, denn ich hatte vor Furcht alles verdunkelt und mir Teelichter angezündet. Was das wohl war? Langsam und mit klopfendem Herzen zog ich den einen Rollladen der Terrassentür nach oben und ich blickte auf ein rasendes Wetterchaos. Meine schönen Blumen lagen am Boden und der Wind peitschte die Büsche und Bäume, als wollte er sie niederreißen. Um zu erfahren was so gegen den Rollladen geknallt hatte müsste ich die Tür öffnen. Also wagte ich es, Neugier siegte über Furcht. Als ich den Kopf durch die Tür steckte empfing mich ein eiskalter Wind und ich erschauerte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich eine Bewegung unter einem der Terrassenstühle, die ich vorsichtsalber noch hastig mit dem Tisch zusammengeklemmt hatte. Das hatte mir vorhin schon eine nasskalte Dusche eingebracht. In Sekundenschnelle zog das Gewitter an, ich konnte gerade noch alles Zusammenferchen und kam trotzdem klitsche nass in Wohnzimmer zurück.
Da…, da war erneut eine Bewegung unter dem letzten Stuhl ganz hinten in der Ecke. Ich musste mich bücken um dort hinten etwas zu erkennen. Es war so düster und Regenböen trafen immer wieder mein Gesicht, dann sah ich es, es war eine kleine Amsel, die sich in die hinterste Ecke meiner Terrasse kauert. Da hinten schien es nicht allzu schlimm zu sein. Ich rief ihr zu: „Ich hoffe, du hast dich bei deinem Aufprall vorhin nicht verletzt! Sein mir nicht böse Vogel, aber ich muss wieder rein sonst zieht‘s mich von den Füßen.“
In dem Moment zuckte ein Blitz vom Himmel und schlug irgendwo in der Nähe ein. Der Donner der darauf folgte haute mich um und ich fiel Rücklinks auf mein Hinterteil. Ich zitterte so arg, dass ich mich zuerst gar nicht bewegen konnte, ich brauchte eine ganze Weile bis ich es schaffte die Terrassentür zu schließen und den Rollladen wieder runterzulassen.
Völlig nass holte ich mir erst mal ein großes Handtuch aus dem Bad und wickelte mich darin ein. Aus der Abstellkammer schnappte ich mir den Aufnehmer und machte notdürftig das Laminat vor der Terrassentür trocken. So ein Mist alles war nass. Na ja, neugierige Nasen können halt nass werden und wenn’s nur das ist. Ich grinste schwach.
Dann setzte ich mich in meinen alten Wohnzimmersessel, der schon einige Umzüge mit mir durchgestanden hatte und faltete meine Hände.
Im Gebet suchte ich Trost und Hilfe, doch ich brauchte einige Zeit um mich zu sammeln und mit Gott zu reden.
„Vater, ich danke Dir, dass ich hier in meiner trockenen Wohnung sitze und ein Dach über dem Kopf habe. Und für alles Andere danke ich Dir auch, aber jetzt bitte ich Dich für den kleinen nassen Vogel da draußen. Beschütze ihn und lass nicht zu das er sich einen Flügel verletzt hat. Danke Herr, dass Du für groß und klein sorgst, für Mensch und Tier.
Wenn Du willst, wird auch die kleinste Ameise vor dem Ertrinken gerettet.
Herr, so ein schlimmes Unwetter…,
Da höre ich Sirenen und bete was ich immer bete wenn ich sie höre…,
Ach Vater, da brauchen Menschen Deine Hilfe. Bitte hilf ihnen, stehe ihnen bei und rette sie. Hilfe aber auch gerade den Helfern die Hilfe leisten, führe ihre Hände.
Herr, noch mal will ich Dir von Herzen danken, dass Du alles in Deiner Hand hältst und auch jeglichem Sturm Einhalt gebieten kannst. Danke Vater, dass Du auf uns aufpasst. Herr ich vertraue Dir, dass Du den Sturm stillst und die Sonne wieder scheinen lässt.
Ich lobe und preise Dich mein Gott, weil Du Gott bist, der einzig wahre, der Lebendige, der Schöpfer des Himmels und der Erde.
Danke für den Frieden, den nur Du geben kannst, den Frieden der höher ist als alle Vernunft, der das Auge im Sturm ist und in dunklen schweren Zeiten Kraft gibt. Bitte gib mir jetzt diesen Frieden, danke dafür Herr mein Gott. Amen
In dem Moment in dem ich Amen sagte, spürte ich wie eine Gewissheit und die Ruhe die ich suchte in mein Herz flossen und trotz des Wettergetöses draußen, wurde es in mir ganz still.
Ich lehnte mich zurück in meinen Sessel, hielt die Augen geschlossen und schlief ein.
Wie spät es war wusste ich nicht, aber als ich aufwachte war es im Raum dunkel. Die Teelichter waren ausgebrannt und es war alles still. Vorsichtig zog ich die Rollläden in der Wohnung hoch. Es war dunkel draußen, aber es war eine klare Dunkelheit die einfach nur besagte, dass es Nacht war. Ich schaltete das Licht auf der Terrasse ein und ging hinaus. Unter meinen Schuhen knirschte es, das Unwetter hatte den Sand aus den Fugen meiner Terrasse spritzen lassen. Na ein paar leichte Fegeeinheiten mit dem Besen und das wäre wieder ok. Mein Garten sah schon sehr ramponiert aus, aber es war nicht mehr kalt und meine Wiese war wieder grün. Vorsichtig bückte ich mich und lugte unter den Tisch. Tatsächlich dort saß sie noch, sie hatte das Köpfchen unter die Federn gesteckt und schlief. Das Vögelchen war auch nicht wach geworden als ich Licht macht und auf die Terrasse hinaustrat. Einige Augenblicke besah ich mir das Tierchen, dankte Gott, dass er auf die Amsel aufgepasst hatte und das meine Terrasse so gebaut war, dass sie ihr Schutz geboten hatte. Leise ging ich in meine Wohnzimmer zurück, löschte das Licht draußen und legte mich ins Bett.
Am Morgen schien die Sonne strahlend durch die kleinen Öffnungen meiner halb herunter gelassenen Rollläden in mein Schlafzimmer auf meine Bettdecke. Ich spürte die Hitze die sich entwickelte und stand noch etwas benommen auf. Als erstes eilte ich auf die Terrasse und suchte nach der Amsel, doch sie war nicht mehr da. Ich sah mich um und hoffte sie nicht hinkend oder dahin siechend irgendwo zu entdecken. Glücklicherweise konnte ich sie nirgends erblicken. Ich lächelte und dankte Gott noch einmal stumm für die Erhörung meines Gebetes.
Die Luft war jetzt frisch und roch nach Erde. Alles war noch nass und wirkte irgendwie schwer. Die Natur durfte sich gestern Nacht austoben, doch Gott hat immer die Herrschaft über alles. Nichts passiert was Gott nicht geplant hat. Alle  Ereignisse haben irgendwo ihre Berechtigung auch wenn wir sie oft nicht verstehen.
Wir sehen doch immer nur ein winziges Stück von Allem. Von unserem Leben, von dem Land in dem wir leben, von den Geschehnissen um uns herum. Wir besitzen nur diese eingeschränkte Sichtweise. Liebevoll und nachdenklich band ich meine Margeriten hoch, vielleicht erholten sie sich ja wieder ein wenig und ich würde ihre Blütenpracht doch noch einige Tage genießen können. Hier und da zupfte ich im Garten die Pflanzen zurecht und war so dankbar, dass ich den kleinen Garten haben durfte.
Als ich mich umdrehte und gerade zurück zur Terrasse gehen wollte, landet vor mir auf dem Rasen eine schwarze Amsel. Lächelnd blieb ich stehen und sah ihr zu wie sie auf der Wiese nach etwas pickte. Da zog sie auch schon einen langen Regenwurm aus der Erde. Wow dachte ich und klatschte innerlich in die Hände. Gut gemacht Frau Amsel und ich bildete mir ein, es wäre mein kleiner Vogel von gestern Nacht…, aber in Wirklichkeit, wusste ich es nicht.
So freute ich mich über alle Vögel und jetzt hörte ich das Gezwitscher in den Bäumen um Zweigen um mich herum. Und ich dachte:
„Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch…“,
da machte sich die Amsel mit ihrem Riesenwurm aus dem Staub.

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